Die Fähigkeit, den Beckenboden bewusst wahrzunehmen und richtig anzusteuern, ist die Grundlage für jedes effektive Beckenbodentraining. Viele Menschen spüren ihren Beckenboden anfangs nur schwer – besonders in der Schwangerschaft oder nach der Geburt. Dieser Artikel zeigt dir Schritt für Schritt, wie du deinen Beckenboden ansteuerst und seine drei Schichten besser verstehst.
Wie kann ich meinen Beckenboden ansteuern?
Um deinen Beckenboden gezielt zu trainieren, brauchst du zunächst ein gutes Beckenbodenbewusstsein. Der Beckenboden liegt tief im Körper und arbeitet eng mit Atmung, Haltung und tiefer Bauchmuskulatur zusammen.
Eine bewusste Wahrnehmung verhindert, dass du statt des Beckenbodens ungewollt Po-, Bauch- oder Oberschenkelmuskeln anspannst – ein häufiges Muster bei Anfänger:innen.
Mit etwas Übung kannst du die Bewegung des Beckenbodens klar spüren und die Muskulatur gezielt ansteuern.
Warum ist die Beckenbodenwahrnehmung wichtig?
Funktionen des Beckenbodens
Der Beckenboden hat mehrere, medizinisch relevante Aufgaben:
- er kann anspannen, entspannen und reflektorisch arbeiten
- er wirkt beim Orgasmus mit
- er sichert die Kontinenz
- er stabilisiert Becken und Rumpf
- er ist zusammen mit dem Korsagenmuskel der aktivste Muskel in unserem Alltag (M. transversus abdominis)
- er ermöglicht eine aufrechte Haltung
Ist eine dieser Funktionen eingeschränkt, etwa durch Überlastung, Schwangerschaft, Geburt oder hormonelle Veränderungen, ist gezieltes Beckenbodentraining sinnvoll.
Damit das Training wirkt, brauchst du eine präzise Ansteuerung – sodass auch nur die Muskulatur arbeitet, die auch arbeiten soll.
In der Schwangerschaft: Beckenboden wahrnehmen, ansteuern und entspannen
Während der Schwangerschaft steigt die Belastung auf den Beckenboden deutlich an. Das Gewebe wird hormonell bedingt weicher, und der wachsende Bauch erhöht den Druck nach unten.
Daher gilt:
- Frühe Schwangerschaft: gezieltes Beckenbodentraining unterstützt Stabilität und beugt Inkontinenz vor.
- Späte Schwangerschaft: Fokus auf Entspannung des Beckenbodens, wichtig für die Geburtsvorbereitung.
- Durchgängig: Bewusste Wahrnehmung erleichtert das spätere Rückbildungstraining.
Regelmäßiges Beckenbodentraining in der Schwangerschaft kann die Rückbildung positiv beeinflussen und Beschwerden reduzieren.
In der Rückbildung: Beckenboden nach Schwangerschaft und Geburt stärken
Nach der Geburt steht der Beckenboden im Zentrum der Rückbildung. Er wurde über Monate stark belastet– bei einer vaginalen Geburt zusätzlich durch die Passage des Babys.
Gezieltes Rückbildungstraining stärkt:
- die Stützfunktion
- die Kontinenz
- die Koordination zwischen Atmung und Beckenboden
- die Belastbarkeit im Alltag und Sport
Eine präzise Wahrnehmung hilft dir, im Training tatsächlich deinen Beckenboden zu treffen und die drei Schichten effektiv einzusetzen.
Anatomie des Beckenbodens – für bessere Wahrnehmung
Ein anatomisches Grundverständnis erleichtert es, den Beckenboden korrekt anzusteuern.
Der Beckenboden ist eine muskel- und bindegewebige Platte, die sich zwischen vier Knochenpunkten aufspannt:
- Symphyse (Genitalbeinfuge)
- Sitzbeinhöcker rechts
- Sitzbeinhöcker links
- Steißbein
Die drei Schichten des Beckenbodens:
- Äußerste Schicht:
Enthält die Schließmuskeln rund um Harnröhre, Vagina und Darm – wichtig für Kontinenz. - Mittlere Schicht:
Verläuft quer zwischen den Sitzbeinhöckern und stabilisiert bei Druck – z. B. beim Husten oder Lachen. - Innere Schicht (Diaphragma pelvis):
Die kräftigste Schicht, trägt die Beckenorgane und wirkt wie ein Trampolin.
Ein gutes Bild vom Aufbau erleichtert es, die Beckenbodenfunktion wiederherzustellen.
Langfristig geht es nicht darum die einzelnen Schichten anzusteuern, sondern den Beckenboden als funktionelle Einheit zu aktivieren. Die folgenden Übungen dienen der Wahrnehmung und noch nicht dem Training.
Wahrnehmungsübungen für eine bessere Beckenbodenansteuerung
Ziel dieser Übungen ist nicht Kraft, sondern feine Wahrnehmung. Achte auf:
- sanfte Aktivierung
- fließende Atmung
- keine Bauchpresse
- entspanntes Gesäß
Ausgangsposition
Sitz auf einem Stuhl oder einer Handtuchrolle, aufrecht, Füße stabil am Boden.
Atmung beim Training – Basis jeder Beckenbodenübung
Stell dir deinen Bauchraum wie einen Luftballon vor:
- Einatmung: Luftballon dehnt sich – Beckenboden senkt sich.
- Ausatmung: Ballon wird kleiner – Beckenboden hebt sich.
Diese natürliche Bewegung nutzt du im Training.
Der Atem ist der wichtigste Rhythmusgeber für das Beckenboden ansteuern.
Der einfachheit halber verbinden wir die Beckenbodenaktivierung zunächst mit der Ausatmung, da dies dem natürlichen Bewegungsmuster des Beckenbodens entspricht. Für eine zusätzliche koordinative Herausforderung kannst du deinen Beckenboden später auch bewusst während der Einatmung aktivieren.
Äußerste Schicht – Körperöffnungen bewusst schließen
Konzentriere dich nacheinander auf:
- Harnröhre schließen (wie beim Zurückhalten von Urin – nur zur Wahrnehmung, nicht im Alltag anwenden).
- Vagina verschließen (als würdest du sanft einen Tampon halten).
- After schließen (als würdest du ein Zäpfchen zurückhalten).
Dann alle drei Körperöffnungen gleichzeitig schließen. Atme tief in den Bauch ein und mit der Ausatmung alle drei Körperöffnungen gleichzeitig schließen. Mit der nächsten Einatmung wieder locker lassen.
Sanft, ohne Pressen, ohne Po- oder Bauchspannung.
Mittlere Schicht – Sitzbeinhöcker ansteuern
- Sitzbeinhöcker finden
Setz dich auf deine Hände und spüre die Knochenpunkte unter den Pobacken. - Handtuchrolle zwischen den Knochen
Stell dir vor, deine Sitzbeinhöcker wären zwei Schaufeln, die sich zur Mitte bewegen.
Atme tief ein. Mit der Ausatmung "greifen" die Schaufeln das Handtuch. - Gesäß bleibt weich (Zwischentest)
Lege deine Hände außen ans Gesäß. Wenn der Po hart wird, arbeitest du mit der Po Muskulatur, das wollen wir nicht. Dein Po darf entspannt bleiben. - Mit der Atmung verbinden
Einatmen: Weitung.
Ausatmen: sanftes Zusammenführen.
Tiefste Schicht – Organe nach innen oben anheben
- Steißbein ertasten
Zwischen den Pobacken nach unten tasten, bis du die leichte Kurve spürst. Der letzte knöcherne Punkt ist das Steißbein. - Ansteuerung
Stell dir vor, du ziehst das Steißbein Richtung Schambein oder hebst die Beckenorgane nach innen oben an. - Mit der Atmung koppeln
Ausatmung = Heben
Einatmung = Loslassen
Alles zusammenführen – koordinierte Beckenbodenaktivierung
Tief einatmen. Mit der Ausatmung:
- Körperöffnungen schließen
- Sitzbeinhöcker zusammenführen
- Organe nach innen oben anheben
Mit der nächsten Einatmung wieder lockerlassen.
Diese dreidimensionale Bewegung ist die Grundlage eines guten Beckenbodentrainings.
Entspannung nach der Aktivierung – wichtig für die Regulation
Nach jeder Aktivierung braucht der Beckenboden bewusste Entspannung:
- tiefe Atemzüge
- Happy-Baby-Pose zum Loslassen: lege dich auf den Rücken, zieh die Knie Richtung Achseln, umgreife deine Füße und wippe von links nach rechts.
- Piriformis-Dehnung (Figure-4-Stretch): im Sitz, lege den rechten Fuß auf dem linken Oberschenkel ab und drücke dein rechtes Knie Richtung Boden. Für einen intensiveren Stretch lehne deinen Oberkörper nach vorne.
- sanftes Nachfedern im Becken: in Rückenlage, Ball oder Kissen unter das Becken legen und leicht federn.
Ein ausgeglichener Beckenboden kann sowohl halten als auch loslassen – beides ist essenziell.
Fazit: Das Wichtigste zur Beckenbodenwahrnehmung auf einen Blick
Die bewusste Wahrnehmung und korrekte Ansteuerung des Beckenbodens bildet die Grundlage für jedes effektive Beckenbodentraining – in jedem Lebensabschnitt. Ein Verständnis über Aufbau und Funktionen des Beckenbodens hilft dir, die drei Muskelschichten gezielt zu aktivieren und typische Ausweichbewegungen zu vermeiden. Besonders in der Schwangerschaft und während der Rückbildung spielt ein fein abgestimmtes Zusammenspiel aus Aktivierung, Entspannung und Atmung eine zentrale Rolle. Durch sanfte Wahrnehmungsübungen lernst du, deinen Beckenboden differenziert zu spüren, deine Atmung als Unterstützung zu nutzen und langfristig Stabilität, Kontinenz, Haltung und Wohlbefinden zu fördern. Ein gut koordinierter Beckenboden kann sowohl Kraft aufbauen als auch loslassen – genau diese Balance ist entscheidend für einen gesunden, belastbaren Körper.
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